Die Justizvollzugsanstalt Siegburg hatte am Freitag, den 23. August 2019, den Geschichts- und Altertumsverein für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis zu Gast.

Der Weg für die Geschichtsinteressierten führte, begleitet durch den Leiter des Allgemeinen Vollzugsdienstes Herrn Päfgen, über die Außenpforte, den Vorhof der Justizvollzugsanstalt Siegburg, vorbei am Hafthaus 1 und der alten Pforte des ehmaligen "Weibergefängnisses" nach Haus 2, hinauf zur dortigen Kirche. Rund fünfundzwanzig Vereinsmitglieder lauschten in der Kirche einer Lesung des Geschäftsführenden Vorsitzenden des Geschichtsvereins Jan-Eberhardt Gerull zum Thema "Post aus der Dunkelkammer". Hierbei handelt es sich um Briefe die Erich Sander von 1935 bis 1944 aus dem Siegburger Zuchthaus schmuggelte. Diese Briefe geben einen tiefen Einblick in das Leben und Sterben der - hauptsächlich politischen - Häftlinge in Siegburg.

Aufgrund seiner fotografischen Kenntnisse wird Erich Sander zum "Kriminalbiologischen Dienst" im Zuchthaus Siegburg herangezogen. Er fertigt im offiziellen Auftrag Porträts von den Insassen an, entwickelt sie vor Ort in der Dunkelkammer. Hier ist er ungestört. Für viele Briefe nutzt er Geheimtinte, nachdem er zuvor diese umseitig mit unverfänglichen Texten versehen hat. Sein Wissen bezog er aus der Arbeit für die Firma seines Vaters, dem bekannten Fotografen August Sander. Einige der Aufnahmen schaffte er mit Hilfe seines konspirativen Netzwerks, zu dem auch der evangelische Anstaltsgeistliche Johann Hennicke zählt, aus den Mauern. Erhalten sind auch einige Aufnahmen, die er zu einem späteren Haftzeitraum, mit einer eingeschmuggelten Kamera machen konnte.

In den neun Jahren seiner Inhaftierung schickten sich Sander und seine Familie rund 170 Briefe und Postkarten. Ein so umfangreiches, noch dazu historisch ausgesprochen aufschlussreiches Konvolut an Texten und Bildern aus einem Zuchthaus in der NS-Zeit ist nach Meinung von Historikern einmalig. Als Quelle für die Lesung diente das Buch "Erich Sander - Gefängnisbriefe 1935-1944", herausgegeben vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln und der SK Stifung Kultur, bearbeitet von Dr. Ulrich Eumann.

Nach der gut anderthalbstündigen Lesung verließen die Teilnehmer der Lesung mit zum Teil gemischten Gefühlen die Justizvollzugsanstalt Siegburg.

Podknast und weitere Informationen zum Thema Erich Sander

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