„Ich schätze, wir sind anders?!“ heißt der Film, den Inhaftierte der JVA Siegburg umgesetzt haben.
Bevor an dieser Stelle ausführlich auf das Projekt eingegangen wird, möchten wir uns als Projektbeteiligte und als JVA Siegburg herzlich bedanken für die Unterstützung bei der LAG Kunst und Medien NRW e.V. Dies gilt insbesondere der Begleitung und Beratung durch Frau Assmann und Frau Vogel von der LAG Kunst und Medien. Weitere Unterstützung für die wir uns ebenfalls bedanken möchten erhielten wir von dem Lions Club Siegburg.
Das Filmprojekt "Ich schätze, wir sind ander?!"began damit, dass sich die Inhaftierten mit dem Roman bzw. dem Film "Die Outsider" auseinander setzen mußten. Der Roman von Susan E. Hinton "Die Outsider" kam in einer Verfilmung unter der Regie von Francis Ford Coppola im Juni 1983 in die Kinos. Zunächst schauten sich die Inhaftierten gemeinsam mit Filmemacherin Paula Wehmeyer und dem für Kultur zuständigen Beamten Jörg Gieseking den Film an. Für die jungen Inhaftierten war der Film vollkommenes Neuland, auch wenn die Akteure des Films wie Patrick Swayze, Rob Lowe, Matt Dillon, Emilio Estevez, Tom Cruise und Ralph Macchio ihnen durchaus bekannt waren. Der Film spielt in den 1960er Jahren und es bekämpfen sich zwei rivalisierende Jugendbanden in den Straßen Amerikas. Danach begann die gemeinsam Arbeit an einem eigenen Film. Die jungen Inhaftierten, inspiriert von dem Film "Die Outsider", entwickelten ihre eigenen Ideen und brachten ihre kreativen Gedanken zu Papier. Die Filmschaffende und Projektbegleiterin Frau Wehmeyer zeigte sich überrascht von dem Potenzial der Inhaftierten.
Gewalt, Rivalität und Freundschaft sind Themen im Filmprojekt
Paula Wehmeyer weiter zu der Arbeit: "Wir starteten zwar mit dem Film 'Die Outsider', in dem eine Gruppe junger Außenseiter, die Greaser, männliches Erwachsenwerden, Freundschaft und Gewalt auslotet. Das hat auch als Einstieg in das Filmprojekt sehr geholfen, weil viele sich mit den Grundfragen der jungen Menschen – auch mit ihrer Einsamkeit und Frustration – gut identifizieren konnten. Nach einem Kinonachmittag besprachen wir die Hauptthemen miteinander. Daraufhin entwickelten wir Fragen für biographische Interviews miteinander, die einen Teil des Films ausmachen. Im zweiten Teil des Films setzten wir ein selbst entwickeltes Drehbuch um, die Inhaftierten wurden zu Akteuren vor und hinter der Kamera. Während der Zusammenarbeit von ungefähr sechs Monaten in der JVA Siegburg entstand innerhalb der Gruppe viel Vertrauen. Dadurch sind die Interviews sehr persönlich geworden. Die Fragen und Bildästhetik entwickelten die Gefangenen selbst mit. Die JVA und die Filmproduktionsfirma Boundless Productions ermöglichten Filmdrehs mit professionellem Equipment, und die jungen Männer lernten viel über den Bereich Film. Es war und ist sehr wichtig, dass das Ganze interaktiv gestaltet wird. Schön ist, dass der Kontakt zu vielen jungen Menschen geblieben ist ..."
Das Besondere an dem Filmprojekt ist, dass die Filmemacherin Paula Wehmeyer und der für Kultur zuständige Beamte Jörg Gieseking einen partizipativen Ansatz verfolgten. "Es ging uns nie darum, den jungen Männern etwas überzustülpen oder ihnen eine Geschichte vorzuschreiben. Viel wichtiger und spannender ist es, zuzuhören, was sie selbst über ihre Lebenswirklichkeit zu erzählen haben."
Bei dem Drehbuch, das nach den Interviews geschrieben und umgesetzt wurde, ging es um verschiedene Perspektiven auf die Themen Gewalt, Rivalität und Freundschaft. Die Sprache und Szenenbilder entstanden aus der Lebenswirklichkeit in der JVA und dem Alltag der jungen Männer vor der Gefangenschaft. Einige Szenen sind humorvoll, andere ernst. Der Film ist authentisch und lebensnah gedreht, und durch die Unterstützung der JVA war es möglich, spannende Szenen an ungewöhnlichen Orten umzusetzen.
Beim Kunst- und Kulturfestival von "Knastkultur" in der sog. "Knastkulturwoche" im Oktober 2024 feierte das Team gemeinsam mit anderen Inhaftierten und externen Gästen die Premiere ihres Films. Die Unterstützer des Projekts, die LAG Kunst und Medien NRW sowie der Lions Club Siegburg waren vor Ort, die Presse berichtete: "… persönlichen Beiträge in Interviews und Spielsituationen haben den Film bereichert und bei der Premiere viele Menschen berührt."