Katharina Schüttler vor der JVA Siegburg Schauspielerin Katharina Schüttler bei den Dreharbeiten vor der Aussenpforte der Justizvollzugsanstalt Siegburg.
Quelle: B. Werner
Dreharbeiten zum Film <quoda>Schurkenstücke</quod> an der Aussenpforte der JVA Siegburg Dreharbeiten zum Film "Schurkenstücke" fanden im November und Dezember 2009 in der Justizvollzugsanstalt Siegburg statt, unteranderem im Bereich der Aussenpforte.
Quelle: B. Werner

Auszug aus einem Interview mit der Schauspielerin Katharina Schüttler mit Denis Demmerle für Planet Interview vom ‎17.08.2010‎

Sie drehten Schurkenstück in einem echten, sehr engen Raum, einer Jugendvollzugsanstalt. Wie fühlte sich das an? Schüttler: Sehr speziell. Es ist toll durch das Drehen Orte kennen zu lernen, an die man sonst nie kommen würde. Einen Jugendknast von innen zu sehen und mehrere Tage dort zu verbringen ist unheimlich spannend. Wir konnten eine fremde Welt kennen lernen, die einem sonst eher abstrakt erscheint. Fürs Drehen war das super, weil ich wie im Film, mit dieser echten Knastwelt konfrontiert war. Man merkt, dass man eigentlich überhaupt keine Ahnung hat, wie die Leute dort ticken. Wir wurden von der Direktorin und den Gefängniswärtern sehr aufmerksam betreut. Sie haben uns unheimlich viel erzählt und bereitwillig Auskünfte gegeben. Wir haben Knastluft geatmet und diesen Ort der Unfreiheit erlebt.

Wie passte der Drehalltag zum Gefängnisleben?

Schüttler: Es gab immer wieder Situationen, in denen die Gefangenen in das, was wir getan haben, eingegriffen haben. Bei einer Szene auf dem Hof standen an allen Fenstern Gefangene und haben immer wieder in die Szene hineingerufen. Es gab auch aufregende Sachen, wie dieses Pendeln, das ich überhaupt nicht kannte. Da wird meist an abgerissenen Bettlaken, weil ja keiner Fäden, alles Mögliche dran geknotet und dann durch die Gitterstäbe durch, zur nächsten Zelle weiter gependelt hat, bis der andere es fängt. Man hört Sätze wie „Mirko haste mal ne Zwiebel“ und plötzlich kommen in einem leeren Zitronentee-Behälter eine Zwiebel und vielleicht noch eine Kippe gependelt. Das passiert parallel an allen Fenstern. Da wechseln Zitronen, Handys, Drogen und Wasserkocher den Besitzer. Wir haben das lange bestaunt.

Haben Sie anschließend Ihre persönliche Freiheit anders wahrgenommen?

Schüttler: Total. Vor allem, wenn wir in bestimmten Zonen gedreht haben und dann irgendwann die Schleusen geöffnet wurden und echte Gefangene durchkamen. Wir 30 vom Team haben geregelte Mittagspause und gehen abends um 19 Uhr nach Hause, während diese Jugendlich vielleicht noch die nächsten drei Jahre dort verbringen werden. Sie haben ja auch in den kleinen Zellen gedreht...

Schüttler: Die Zellen fand ich richtig schockierend. Mir war nicht klar, wie klein sie sind. Das war in diesem Gefängnis extrem, da es ein Altbau war. Es gab nur Fenster, die unter der Decke waren, aus denen die Gefangenen nur kucken können, wenn sie aufs Bett steigen. Die Zellen sind sehr klein und waren bis vor drei Jahren noch doppelt belegt, bis in der Haftanstalt Gefangene einen anderen Gefangenen zu Tode gequält haben. Als Konsequenz daraus wurde die Doppelbelegung abgeschafft, aber die Situation ist dennoch unfassbar.

Um von der Freiheit zur künstlerischen Freiheit zu kommen: Improvisieren Sie viel als Schauspielerin?

Schüttler: Spielen ist immer auch improvisieren. Natürlich muss man sich, vor allem beim Drehen, an den Text und den spezifischen Ablauf einer Szene halten. Im Spiel selbst, ist der Schauspieler eigentlich sehr frei. Ich denke als Regisseur ist es mit der künstlerischen Freiheit schwieriger, da dort jeder Ausschnitt, jede Musik-Unterlegung und vieles, vieles mehr überdacht werden muss. Als Schauspieler ist es wichtig, sich vorher gut zu überlegen, ob der Stoff und die Rolle einen wirklich interessieren und ob der Regisseur und die Kollegen einen reizen. Diese Wahl treffen zu können, gehört für mich zur künstlerischen Freiheit eines Schauspielers.